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Interview Jazzpodium (01/2005)

 

Kathrin Lemke – Aphrodite und der Jazz


Kathrin Lemke gehört zu der Generation junger Musikerinnen, die sich gegenüber ihren Kollegen mit neuem Selbstbewusstsein und einer Portion Zähigkeit durchboxen. Und die Experimentelles lieben: der Jazz als stilistischer Selbstbedienungsladen, in dem alles vorrätig und erlaubt ist. – „Aphrodite Goes Shopping“ heißt das neue Album, das die in Berlin lebende Saxophonistin mit ihrer Band JazzXclamation eingespielt hat. Nach dem „Psycho Potatoes“ benannten Erstling nun also erneut ein Slogantitel, der den Betrachter aufmerken lässt. Als ‚Eye-Catcher‘ zeigt die Frontseite der CD die Bandleaderin selbst – im gestylten Outfit und mit Dalmatiner.
Der Titel des Albums sei „erstmal bewusst zum ‚Hä?‘-Sagen gedacht,“ erklärt Kathrin Lemke. „Das Hehre und das Banale; passt ja beim ersten Hingucken nicht zusammen. Natürlich ist das selbstironisch – denn, wer würde im Ernst schon ein Album mit sich selbst auf dem Cover so nennen?“


Vom Vorgängeralbum „Psycho Potatoes“ zur neuen CD „Aphrodite Goes Shopping“ – wie bist du mit der Weiterentwicklung der Band zufrieden?
Ich denke, dass alles irgendwie „reifer“ geworden ist – das Spiel der Musiker und das Konzept der Band. Und freier… was für mich zum Teil dasselbe ist. Die vorige CD wirkt auf mich introvertierter und auch schüchterner. Gleich geblieben sind im Grunde genommen die Strukturen der Stücke: einfache Lead-Sheets, die viel Raum lassen. Deshalb klingt ein und dasselbe Stück bei mehreren Konzerten von uns manchmal völlig unterschiedlich. Auch melodisch und harmonisch sehe ich mich woanders, als vor drei Jahren. Klar, ich habe mich ja inzwischen auch mit vielen für mich neuen Dingen beschäftigt. Personell ist fast alles gleich – bis auf die beiden Schlagzeuger Michael und John. Wobei ich interessant finde, inwieweit die Band dadurch anders klingt und inwieweit es trotzdem einen durchgängigen Bandsound gibt.


Du bist alleinige Komponistin der Musik von JazzXclamation, dennoch firmiert die Band nicht unter deinem Namen: Inwieweit siehst du dich als Leaderin und wie wichtig ist dir im Bandkontext der gleichberechtigte Austausch untereinander, das Gruppenfeeling?
Seien wir mal ehrlich: Ich bin die Leaderin! (lacht) Die Stücke sind von mir und ich kümmere mich um die Organisation von Proben und Konzerten.
Und im Bandkontext? Ich komme mit musikalischen Ideen an – zum einen will ich bestimmte Sachen so und nicht anders, zum anderen finde ich es gut, wenn einer der Jungs was damit macht, an das ich ursprünglich gar nicht dachte… Letztlich würde ich nie jemandem diktieren, etwas zu spielen, was ihm nicht gefällt, wo er sich nicht wohlfühlt. Man muss die Leute, gerade beim Musikmachen, schon so sein lassen, wie sie sind.


Du hast in Heidelberg sowohl Musikwissenschaft als auch Politik und Germanistik studiert. Was ist aus deinem Interesse für Germanistik und Politik geworden?
Nach wie vor sind mir Literatur und Sprache sehr wichtig. Ähnlich wie Musik kann Sprache so viele Nuancen, so viele Stimmungen darstellen – und manchmal auch sooo falsch klingen: Damit meine ich nicht grammatikalisch falsch! – Na, und Politik? Das interessiert mich natürlich nach wie vor – sie betrifft mich ja schließlich, ob ich will oder nicht.


Unterrichtest du derzeit, oder nehmen deine musikalischen Projekte den ganzen Raum in Anspruch?
Ja, ich unterrichte auch – obwohl ich spontan sagen würde: Die musikalischen Projekte nehmen den ganzen Raum in Anspruch. Irgendwo ist, auch ohne Unterrichten, immer zuwenig Zeit… Übrigens mache ich das erst seit einigen Monaten vermehrt – dazwischen hab' ich vier Jahre fast gar nicht unterrichtet. Was auch gut war. Jetzt hab' ich wieder Lust. Allerdings, zu viele Schüler wären auch nichts – ich könnte keine gute Lehrerin sein, wenn ich nicht auch Zeit für mich hätte.


In der deutschen Jazzszene sind derzeit einige wenige junge Musikerinnen aktiv, die ziemlich Dampf machen und sehr selbstbewusst auftreten – dazu gehören auf jeden Fall Sandra Weckert und du. Würdest du freches Auftreten und entsprechendes Bühnenentertainment, um aus der Masse der Musiker herauszustechen, als unabdingbar bezeichnen? Und bist du selbst ein Mensch, der gerne provoziert?
Ich glaube nicht, dass man gezielt herausstechen wollen soll/muss. Sondern man sticht heraus, indem man „man selbst“ ist – und dafür muss man sich nicht inszenieren (obwohl das manchmal ja auch viel Spaß machen kann!). Und so ein Image à la „provoziert gerne“ engt ein. Mich jedenfalls. Klar, ich denke gelegentlich um andere Ecken, und muss mich manchmal krass mitteilen. Aber ich spiele ja grad deshalb so gerne Jazz, weil ich da auch so spielen kann, wie mir gerade ist: mal „Paff, Zack“ und mal melancholisch… und halt auch mal total unlocker – is' eben so.


Deinem Saxophonspiel wird nachgesagt, dass es vom Gesang inspiriert ist. Siehst du das selbst so? Steckt in dir vielleicht gar eine verkappte Sängerin, die sich lieber erstmal auf einem Instrument austobt?
Wer weiß das schon… vielleicht werde ich irgendwann als verblühte Jazz-Lebedame eierlikörschlürfenderweise nur noch singen: Mit großem Hut – und gut abgehangen.
Jedenfalls, ich bin sehr vom Gesang beeinflusst und hab mir bestimmt schon eine Million mal „Round Midnight“ von Carmen Mc Rae angehört, oder „The Masquerade is over“ gesungen von Nancy Wilson. Und habe mitgesungen und -getrunken und Kette geraucht, wie’s gehört. Auf der anderen Seite aber ist das Saxophon das „Ding ohne Worte“, was genauso geil ist... He, und verkappt bin ich schon mal gar nicht!


Carina Prange

 

 

 

kontakt: mail@kathrinlemke.de